Deine Mitarbeiter haben keine Definition von Umsatz. Die Wahrheit ist, sie haben fünf (das sind vier zu viel).

Deine Mitarbeiter haben keine Definition von Umsatz. Die Wahrheit ist, sie haben fünf (das sind vier zu viel).

Datenkasper
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Deine Mitarbeiter haben keine Definition von Umsatz. Die Wahrheit ist, sie haben fünf (das sind vier zu viel).
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“Wie viel Umsatz haben wir letzte Woche gemacht?” – “450.322 €.” – “Bist Du sicher? Aus dem Controlling habe ich die Info bekommen, es wären 368.433 €.” – “Hä? Nee, ich bin ganz sicher. Im Vertriebs-Report steht 450.322 €.” – – – “Entschuldigt bitte, dass ich mich einmische, aber ich hab grad euer Gespräch mitgehört: Im Marketing haben wir eben noch drüber gesprochen: Es sind 476.510 €.” – “Sorry Leute, aber das kann ja wohl nicht wahr sein – ich verlange doch keine Zauberkunststücke von euch, sondern will einfach nur wissen, wieviel wir letzte Woche in Rechnung gestellt haben!” – “In Rechnung gestellt? Na, das sind 398.675 €.” – “…….………..!!!!!!!!!”

Eine Szene, wie sie sich in Konferenzräumen, Bürofluren und Kantinen von Handelsunternehmen überall auf der Welt wahrscheinlich beinahe täglich zuträgt. Auch ich habe das so oder so ähnlich schon unzählige Male miterleben dürfen – bei Kunden, aber auch in meinem eigenen Unternehmen. “Umsatz” wirkt als Begriff so harmlos; er tut, als wäre er die einfachste Kennzahl der Welt. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Es gibt keine Kennzahl, die verzwickter zu definieren ist als diese.

Die Kennzahl, die in Wahrheit 20 Kennzahlen ist

Klar, wir wissen alle, wo der Hund begraben liegt. Es gibt mehrere Arten von Umsatz, so einfach ist das. Aber wenn wir das alle wissen, wieso herrscht dann noch immer so viel Chaos? Meine Theorie: Es scheitert schlicht und einfach an Bocklosigkeit. Die wenigsten Unternehmen scheinen sonderlich motiviert zu sein, sich der Herausforderung zu stellen, und verfolgen stattdessen das “Wenn ich das Problem lange genug ignoriere, vergesse ich irgendwann, dass es da ist”-Prinzip – und vergessen (oder ignorieren) dabei die Tatsache, dass ein vergessenes Problem kein gelöstes Problem ist.

Die Folge davon ist die in vielen Unternehmen bis heute gelebte Praxis, dass sich in jeder Abteilung eine ganz eigene Definition von Umsatz etabliert. Marketing möchte sich möglichst viel Kampagnenerfolg zuschreiben und zieht daher den Umsatz heran, der nach unserer Definition (s.u.) als “Warenwert in Bestellungen” zu bezeichnen wäre, also einfach gesagt alles, was in irgendeiner Form als Bestellung eingegangen ist. Sales ist etwas bodenständiger und weist das als Umsatz aus, was tatsächlich verkauft wurde (wenigstens im ersten Schritt), nämlich den Warenwert in Verkäufen – Stornos sind hier schon abgezogen. Controlling hingegen hält natürlich gar nichts von solcher Schönzeichnerei und behandelt den Netto-Umsatz als primären Umsatz, zieht also auch noch die Retouren ab. Tja, und wenn der/die Chef*in dann fragt, wie viel in Rechnung gestellt wurde, öffnet er/sie damit das nächste Fass: Plötzlich ist von “Umsatz” nach Rechnungsdatum statt nach Bestelldatum die Rede – was wiederum auf beinahe alle (und mehr) der genannten “Umsätze” angewandt werden kann… wer soll da noch den Überblick behalten, wenn die zugrundeliegende Terminologie für all diese Kennzahlen sich auf exakt einen Begriff beschränkt!?

Konkret lauern die Gefahren einer inkonsistenten Kennzahlenterminologie vor allem in folgenden drei Aspekten:

  • Kennzahlen sind (zumindest im Idealfall) nicht nur Informationen, sondern vor allem Entscheidungsgrundlage. Falsche Zahlen (oder falsch interpretierte Zahlen) können also leicht zu möglicherweise ebenfalls falschen Entscheidungen führen.
  • Äpfel mit Birnen zu vergleichen hat noch in keinem Kontext Sinn ergeben – so auch in diesem: Wenn Marketing seinen Monats-”Umsatz” mit dem Controlling-”Umsatz” des letzten Monats vergleicht und sich über die vermeintlich so positive Entwicklung freut, hat eigentlich niemand Grund zur Freude (außer dem Berater, der hier ordentlich was zu beraten hat).
  • Im vergleichsweise besseren Fall, dass die Beteiligten merken, dass sich in ihrem Obstkorb nicht nur Äpfel befinden, entsteht das nächste Problem: Zeitraubendes Auseinanderklamüsern der jeweils zugrundeliegenden Definitionen bzw. hitzige Diskussionen über Richtig und Falsch. Sprich: Müßige, langwierige Grundlagenarbeit, bevor es zu produktiven Gesprächen über inhaltliche Fragen kommen kann. Leider ist die Realität in vielen Unternehmen, dass sich diese Diskussionen in regelmäßigen Abständen wiederholen und ihre Wirkung trotzdem nicht über das Ende des jeweiligen Meetings hinausreicht, weil niemand sich ein Herz fasst und die (zugegebenermaßen mühevolle) Aufgabe übernimmt, das Chaos ein für alle Mal (nachhaltig!) zu ordnen. Derlei Zustände kosten eine Menge Zeit und sind hochgradig ineffizient.

Die Matrix der Transaktionskennzahlen

Die Frage, wie dieser Situation Abhilfe geschaffen werden kann, haben wir uns auch im Rahmen des “Commerce Reporting Standard”-Projekts gestellt, das wir (minubo) ins Leben gerufen haben – und sind tätig geworden: Aus den Best Practices des minubo-Datenmodells mit ergänzendem Input von weiteren Projektpartnern ist folgende Matrix der Transaktionskennzahlen entstanden, die Licht ins Dunkel bringt, wie es sich mit den einzelnen Umsatzarten eigentlich wirklich verhält – und dazu einen konkreten (und, wie ich finde, sehr schlüssigen) Terminologievorschlag macht.

Dazu der Hinweis: Obwohl sie sich an Best Practices aus dem Handel orientiert, weicht die hier vorgeschlagene Terminologie von unternehmenseigenen Terminologien natürlich in vielen Fällen ab. Doch auch in diesen Fällen birgt sie zumindest als eine Art Übersetzungsschicht (oder: Verständigungshilfe) großen Mehrwert, die das Feld der Transaktionskennzahlen in seiner Gesamtheit beleuchtet und in eine konsequente Ordnung bringt.

Mit dieser Matrix konnten wir in der Folge auch unseren Kunden helfen, die Systematik der Umsatzarten bzw. der Transaktionskennzahlen insgesamt besser zu verstehen – inklusive der diversen zugrundeliegenden Zeitbezüge.

Folgende Lektüretipps erklären die Matrix aus unterschiedlichen Perspektiven sehr übersichtlich, wie ich finde:

Ich würde mich freuen, wenn die vorgestellte Systematisierung dem/der einen oder anderen Leser*in helfen kann. Ansonsten freue ich mich wie immer auch über Fragen und Feedback im direkten Gespräch – kontaktiere mich ganz einfach unter lennard@minubo.com, dann melde ich mich schnellstmöglich bei Dir zurück.