Real-time ist eine Buzzword-Blase. Die Wahrheit ist: 90% aller BI-Cases brauchen es nicht

Real-time ist eine Buzzword-Blase. Die Wahrheit ist: 90% aller BI-Cases brauchen es nicht

Real-Time Buzzword in BI

Ich kann mich regelmäßig nicht entscheiden, ob ich schreien oder weinen soll – oder einfach resigniert den Meetingraum verlassen. “Könnt ihr das auch in real-time?” Da ist sie wieder, diese Frage – gestellt in aller naiven Unschuld oder im auftrumpfenden Gestus einer Person, die meint, den Dienstleister nun endgültig in die Enge getrieben zu haben.

Buzzwords so weit das Ohr hört

Es ist ein absolutes Symptom der Buzzword-Ära, in der wir uns im Analytics-Kontext schon seit geraumer Zeit befinden. Es scheint zum guten Ton zu gehören, in Gesprächen zum Thema mit smarten Worthülsen um sich zu werfen. Ob man sonst vielleicht direkt als ahnungslos gilt? Ich kann mich dabei des Eindrucks nicht erwehren, dass in vielen Fällen gar nicht so klar ist, was die entsprechenden Begrifflichkeiten überhaupt bedeuten; und, noch wichtiger, welches der unzähligen Konzepte mit den schicken Namen wofür eine gute Lösung sein kann – oder eben nicht.

Real-time oder doch real-time?

Zurück zum konkreten Falle von real-time: Zuallerst, liebe/r Fragende/r – was meinst Du überhaupt? Meinst Du 1) real-time Datenabfragen à la “Gib mir die Entwicklung von Kennzahl X über Zeitraum Y” auf Basis eines über den Tag unveränderten Rohdatensets oder meinst Du 2) real-time Daten-Updates, also die stete Aktualisierung der Rohdaten im Data Warehouse, auf Basis derer dann verschiedene Informationen ebenfalls in real-time ausgegeben werden?

Real-time à la schnell und selbstständig

Wenn Du Ersteres meinst: Herrje, ja! Eine Analytics- oder BI-Lösung, die dazu heutzutage nicht in der Lage ist, gehört aus dem Fenster geschmissen. Jeder User muss jederzeit selbständig und schnell (meinetwegen: in real-time) auf die Daten zugreifen können, die er oder sie braucht. Grundvoraussetzung jeder wirklich wertschöpfenden Analytics- oder BI-Lösung – auch wenn die meisten traditionellen BI-Monolithen, die sich in der Handelswelt noch immer tummeln, das leider nach wie vor nicht hinbekommen. Wenn ich zwei Minuten auf meine Abfrageergebnisse warten muss, ist das nicht nur ineffizient, sondern verdirbt mir überdies in real-time die Lust auf das Arbeiten mit Daten – datengetriebene Arbeitskultur adieu.

Real-time à la Daten-Updates

Wenn Du Zweiteres meinst: Ebenfalls ja, aber – wofür, denkst Du, brauchst Du diese Funktionalität so dringend, dass Du diese Frage gleich am Anfang unseres Gespräches stellen musst? Auch wenn sich vielleicht sonst noch keiner getraut hat, Deinem selbstbewussten Buzzword-Vortrag etwas entgegenzusetzen, werde ich Dir sagen, wie es ist: Für 90% aller Analytics Use Cases im BI-Kontext (vs. im Kontext von Primärsystemen wie z.B. Webtracking oder ERP, die selbst Daten sammeln bzw. generieren und direkt anzeigen oder im Kontext von operativen Cases wie z.B. Real-Time Bidding auf Ad-Platzierungen) machen real-time Daten-Updates überhaupt keinen Sinn – bei dem, was wir zu Deinem Business und Deinen Fragestellungen bisher besprochen haben, würde ich bei Dir persönlich sogar eher auf 100% tippen. Die Wahrheit ist: Real-time Daten-Updates in der Business Intelligence sind technisch natürlich alles andere als trivial und kosten aufgrund der wieder und wieder zu verarbeitenden Daten vor allem unheimlich Performanz bzw. Rechnerleistung – und damit Geld. Bist Du sicher, dass Du uns dieses Geld geben möchtest für eine Leistung, die wahrscheinlich niemand in Deinem Unternehmen jemals in Anspruch nehmen wird?

Wann ist real-time wirklich interessant?

Natürlich, die Lage ändert sich, wenn Du die 10% der Use Cases am Wickel hast, für die real-time Daten-Updates auch im BI-Kontext tatsächlich relevant sein können, z.B. in Zusammenhang mit der verhaltensbasierten Bespielung von Usern auf Deiner Website – in real-time, so lange sie da sind.

Mein Vorschlag: Nimm Dir einen Moment Zeit, setz Dich mit Deinen Usern zusammen und werdet euch klar, ob ihr für eure BI wirklich real-time Use Cases habt. Ist das der Fall, dann definiert gemeinsam, welche Rohdaten in eurem Data Warehouse (nicht: in eurem Webtracking) dafür in real-time aktualisiert vorliegen müssen (wahrscheinlich sind das sehr wenige). Auf diese Weise kann exklusiv für das entsprechende Datenset ein entsprechender Update-Prozess eingerichtet und zugleich ein kosteneffizientes, schlankes Setup gewährleistet werden. In Ordnung?

So, das musste mal raus. Bis zum nächsten Mal mit einem weiteren Einblick in meine Gedanken und Erfahrungen rund um Business Intelligence & Co.

Noch ein Tipp: Was du in keinem Fall verpassen solltest, ist unsere nächste Podcast-Folge mit dem VP Data und CMO von Free Now. Die beiden erzählen warum Real-time in ihrem Geschäftsmodell zwingend notwendig ist. Also jetzt auf zur nächsten Plattform und Podcast abonnieren!

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